Am Abend hat der Nationalrat mit einer Zweidrittelmehrheit das neue Billigstromgesetz verabschiedet. Dieses Gesetz, das zuvor als „Strommarktgesetz“ diskutiert wurde, ist eine umfassende Reform des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG). Es schafft mehr Rechtssicherheit für Direktleitungen und Energiegemeinschaften und setzt klare Anreize für den Ausbau netzdienlicher Speicher.

Direktleitungen und Energiegemeinschaften

Ein Kernpunkt des Billigstromgesetzes ist die Rechtssicherheit für Direktleitungen und geschlossene Verteilernetze.

  • Energiegemeinschaften können künftig schneller ans Netz angeschlossen werden.
  • Direktleitungen erhalten eine klare gesetzliche Grundlage, wodurch Investitionen einfacher planbar werden.

Netzdienliche Speicher und das Billigstromgesetz

Das Gesetz setzt starke Anreize für Speicherlösungen, die das Stromnetz entlasten:

  • Systemdienliche Speicher sind für 20 Jahre von Netzentgelten beim Strombezug befreit.
  • Für systemdienliche Standorte gilt ein Standortbonus von 30 %.
  • Projekte, die das Netz stabilisieren, werden gezielt belohnt.
  • Hybridanlagen (PV, Wind, Speicher) sind von der Spitzenkappung ausgenommen, da sie Versorgungssicherheit erhöhen.

Sozialtarif als Ergänzung

Neben den technischen Maßnahmen bringt das Billigstromgesetz auch soziale Entlastung:

  • Rund 290.000 Haushalte erhalten künftig Strom zum Sozialtarif von 6 Cent/kWh.
  • Die Finanzierung von bis zu 60 Mio. Euro wird von den Energieversorgern getragen.

Politische Stimmen

  • Leonore Gewessler (Grüne): spricht von einem „guten Kompromiss“, betont jedoch: „Günstiger Strom ist es nicht.“
  • Markus Hattmansdorfer (ÖVP): verweist auf die Dimension des Gesetzes: 140 Seiten, 550 Stellungnahmen.
  • Die Grünen: haben ihre Zustimmung zum Gesetzespaket angekündigt.

Fazit

Mit der heutigen Verabschiedung des Billigstromgesetzes hat Österreich einen wichtigen Schritt in Richtung moderner Stromversorgung gesetzt. Besonders die Rechtssicherheit für Direktleitungen und die Förderung netzdienlicher Speicher sind zentrale Elemente, die den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen und die Netzstabilität erhöhen.

Der Sozialtarif ergänzt diese Maßnahmen, bleibt aber im Vergleich zu den strukturellen Neuerungen nachrangig.

Anpassungen im Detail

Die Regierungsvorlage bleibt weitgehend unverändert. Die wichtigsten Änderungen:

Ersatz der Netznutzungsentgelte durch den neuen Versorgungs-Infrastruktur-Beitrag (VIB)

Die bislang vorgesehenen Netznutzungsentgelte für Einspeiser werden durch einen einfachen, transparenten und klug ausgestalteten Beitrag ersetzt, der gezielt wirkt, ohne die Preise zu erhöhen:

  • Einspeiser leisten künftig einen laufenden Beitrag zur Strominfrastruktur
  • Im Jahresdurchschnitt darf er nicht mehr als 0,5 Euro pro MWh betragen – das sind 0,05 Cent pro kWh.
  • Die genaue Ausgestaltung erfolgt durch eine Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft, Energie und Tourismus und sorgt damit für Planbarkeit und Sicherheit
  • Für jede Technologie werden Referenzanlagen definiert, an denen sich die Höhe orientiert. Sollte eine Anlage in einem Jahr mehr zahlen müssen als der festgelegte Jahresdurchschnitt, wird dieser Mehrbetrag im Folgejahr als Gutschrift angerechnet.
  • Häuslbauer-Freigrenze: 20 kW netzwirksame Einspeisung sind vom Beitrag befreit, heißt erst für eine netzwirksame Einspeisung ab 20kW werden für die tatsächliche Einspeiseleistungen Beiträge verrechnet.

Spitzenkappung: Schutz für die Netze, Planungssicherheit für Anlagen

Die Spitzenkappung begrenzt technische Maximalleistungen, um Netzüberlastungen zu vermeiden. Neu geregelt:


Für Photovoltaik (PV):

  • Leistungsreduktion auf 70 % der Anlagenleistung im Anlassfall (statt wie ursprünglich vorgesehen 60 %).


Für Windkraft:

  • ab 1.1.2027 gilt: Leistungsreduktion auf max. 85 % der Anlagenleistung im Anlassfall, Begrenzung auf max. 1 % der Jahresenergieproduktion im Anlassfall (statt wie ursprünglich vorgesehen 2 %).

Sozialtarif: Gezielte Entlastung für mehr Menschen

Der bestehende Sozialtarif wird ausgeweitet:

  • Ausweitung von aktuell 240.000 auf 284.000 Bezugsberechtigte.
  • Anhebung des maximalen Lieferantenbeitrags auf 60 Mio. Ꞓ pro Jahr.
  • Für Sozialtarif-Bezieher, die an Energiegemeinschaften teilnehmen: EEG-Mengen werden nicht mehr auf das Verbrauchskontingent angerechnet.

Sonderregelung beim Netzanschlussentgelt

  • Beim erstmaligen Anschluss einer PV-Anlage an das Netz, sind die ersten 15 kW netzwirksamer Leistung von den Netzanschlussentgelten befreit (statt wie ursprünglich vorgesehen 7 kW).

Überblick über die unverändert geltenden Reformpunkte im Billigstromgesetz

  • Niedrig-Preis-Garantie und stärkere Befugnisse der E-Control zur Preisaufsicht.
  • Einfachere Rechnungen, Hinweis auf Tarifkalkulator, verpflichtende dynamische Tarife bei großen Lieferanten.
  • Peer-to-Peer-Stromweitergabe an Nachbarn, Familie und Freunde.
  • Gerechtere Netzkostenverteilung zwischen Erzeugern und Verbrauchern.
  • Finanzielle Anreize für systemdienliches Verhalten (flexibler Verbrauch, Speicher).
  • Teilnetzanschlüsse und verbindliche Netzentwicklungspläne für schnellere Projektumsetzung.
  • Digitalisierungsschub: virtuelle Messpunkte, moderne Lastmessung, bidirektionales Laden.
  • Rechtsrahmen für PPA, Direktleitungen und flexible Netzzugänge.
  • Versorgungssicherheitsmechanismus bis 2030 verlängert.

Billigstromgesetz – Der weitere parlamentarische Prozess im Detail

  • Nationalrat: Das Billigstromgesetz wurde mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen. Damit ist die erste und entscheidende Hürde genommen.
  • Bundesrat: Als nächstes geht das Gesetz in den Bundesrat. Dieser kann das Gesetz zwar verzögern, aber nicht dauerhaft blockieren. Eine Zustimmung gilt als wahrscheinlich, da es sich um ein zentrales Reformprojekt handelt.
  • Kundmachung: Nach der Befassung des Bundesrats wird das Gesetz im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Erst dann tritt es offiziell in Kraft.
  • Verordnungen: Viele Details – etwa die konkrete Ausgestaltung des Versorgungs-Infrastruktur-Beitrags (VIB) oder die Regeln zur Spitzenkappung – werden durch Verordnungen des Wirtschafts- und Energieministers festgelegt. Diese sind entscheidend für die praktische Umsetzung.
  • Begleitmaßnahmen: Parallel laufen weitere energiepolitische Schritte wie die Netzkostenbremse und der Industriestrombonus, die mit dem Billigstromgesetz verzahnt sind.
Kategorien: Photovoltaik